Die Pianistin Janka Simowitsch im kulturellen Spannungsfeld

Performance-Optimierung mittels Oxytocin?

Janka Simowitsch ist eine sympathische deutsche Pianistin. Über die Jahre hinweg erlebte ich sie im Rahmen der Schlosskonzerte im neuen Schloss von Bad Lobenstein mit unterschiedlichen Leistungen in der Performance ihrer Konzerte. Was ist die Ursache für diese Schwankungen?

Nun, wie in jedem Lebenslauf wird man von seinem Umfeld geprägt. Immer wieder geht es um die berufliche und private Entwicklung. Beides ist auch für Janka trotz einer stabilen Basis in der eigenen Familie erst einmal ein Abenteuer mit unsicherem Ausgang. Stabilität ist aber die Grundlage für die Orientierung in unserem Leben. Daher gibt die Suche nach dauerhaften Lebensbedingungen unserem Streben eine Richtung.

Künstler durchlaufen die Ausbildung auf einer oder mehreren Hochschulen. Dort lernen sie einen Kulturbetrieb kennen, der nicht viele Perspektiven eröffnet. Zum einen ist es die Karriere als Pianist. Die steht unter keinem guten Stern. Denn wir stehen an der Schwelle einer Invasion von Musikern aus China, die vermutlich in naher Zukunft den Markt der klassischen Musik überschwemmen werden.

Alternativ dazu gibt es die Karriere der Festanstellung an einer Hochschule. Das wäre Sicherheit anstelle von Abenteuer und Risiko einer reinen Konzertlaufbahn. Doch die Stellen an den Hochschulen sind längst vergeben und unterliegen der Tendenz des Stellenabbaus, da der Staat nach Banken- und Staatenrettung ausgerechnet die Kultur des eigenen Landes als Sparschwein entdeckt hat.

Was unsere Musiker an der Hochschule nicht erfahren, sind die Möglichkeiten der Marktgestaltung. Marketing wäre neben dem Klavierspiel aber das wichtigste Fach, um eine echte Überlebens-Chance zu erhalten, falls man daran ernsthaft interessiert ist. Für einen illusionsfreien Blick auf das Geschäft mit der Musik empfehle ich das Buch mit dem gleichen Titel Das Geschäft mit der Musik. Ein Insiderbericht. Der Insider heißt Berthold Seliger. Er betreibt die Konzertagentur Seliger. Die von ihm gewährten kritischen Einblicke ins Musikgeschäft sind für alle Musikinteressierten Gold wert!

In diesem Szenario von Ausweglosigkeit reift man als Student heran. Die Prüfungen werden erfolgreich absolviert. Was nun? Man macht erst einmal weiter wie bisher und hofft auf spätere Entwicklungen.

Schlüsselhormon Oxytocin

Tatsächlich hat sich privat etwas getan. Janka ist verheiratet und Mutter. In dem Zusammenhang kommt ein bislang wenig beachtetes Hormon ins Spiel, nämlich das Bindungshormon Oxytocin. Es steht genau genommen für Gefühl pur. Und es hat eine ganze Reihe höchst interessanter Nebenwirkungen. Unter anderem macht es unser erwachsenes Gehirn wieder plastischer und erleichtert somit Veränderungen.

Das Phänomen der Leistungssteigerung nach einer Geburt ist aus dem Leistungssport bereits bekannt. Gibt es einen derartigen Leistungsschub auch bei Pianistinnen? Möglicherweise ist Janka auf einem solchen Weg der Veränderung, denn ihr Klavierspiel wurde aus meiner Sicht emotionaler, konsequenter und auch mutiger. Das ist ein spannender Weg. Denn aus der Perspektive des Publikums ist er begeisternd und mitreisend zugleich. Wenn es der Pianistin gelingt, ihre Interpretation musikalisch auf den Punkt zu bringen, dann höre ich meine gerade noch staunend offenen Mund sagen: Wahnsinn! So erging es mir tatsächlich am Ende der Appassionata von Beethoven im zweiten Teil des Konzerts.

Am Anfang des Konzerts bekamen wir Musik von François Couperin (1668 - 1733) und somit aus einer Zeit geboten, in der das uns heute bekannte Klavier noch nicht existierte. Couperin komponierte für die Claviere dieser Zeit, nämlich für die Orgel und das Cembalo. Clavier war im 17. Jahrhundert der Oberbegriff für Tasteninstrumente. Janka Simowitsch lieferte ihrem Publikum gleich die Übersetzung der einzelnen Stücke. Wir hörten

  • Der Erntehelfer
  • Im Schafstall
  • Geheimnisvolle Barrieren
  • Gezwitscher
  • Leises Schmachten
  • La Bersan – gemeint war vermutlich eine junge Dame

Vor der Pause gab es als Steigerung mit der Klaviersonate op. 35 in b-Moll von Frédéric Chopin (1810 - 1849) eines der größten Dramen der Klaviermusik. In ihr wiederholte sich im Prinzip das anfangs auf die persönliche Entwicklung von Janka bezogene Spannungsfeld aus Gegensatzpaaren. Von dieser Sonate kann man bei Wikipedia lesen, sie sei gleichermaßen erregend wie rätselhaft. Und da Janka die Gegensätze ihrer Berufung angenommen zu haben scheint, kann sie sich nun auch für ihr Publikum in den Gegensätzen überzeugend artikulieren. Das war der erste Höhepunkt des Abends.

Nach der Pause folgte die zweite atemberaubende Superperfomance mit der Klaviersonate Nr. 23 f-Moll op. 57 von Ludwig van Beethoven (1770 - 1827), die man Appassionata, die Leidenschaftliche, nennt. Tatsächlich leidenschaftlich spielt Janka und übertrug somit direkt alle Spannungen und Auflösungen der Komposition auf ihr Publikum. Das ist die hohe Kunst der Performance, bei der es die Künstlerin versteht, ihre Zuhörer insofern zu führen, indem sie es mit auf die eigene höchst emotionale und ausgezeichnet interpretierte musikalische Reise nimmt.

Der Konzertabend klang mit den Bagatellen op. 33 wiederum von Beethoven spielerisch witzig aus. Janka verstand es ausgezeichnet, den Witz des Komponisten zu vermitteln, indem sie die entsprechenden Passagen überzeichnet darbot. Die zuvor aufgebaute Spannung wurde somit zum Ende des Konzerts wieder auf Normalmaß heruntergefahren. Mehrfach zauberte uns dabei die Pianistin ein entspanntes Lächeln ins Gesicht.

Zauberhafter Klavierabend

Der vergleichsweise hohe Anteil von Werken von Ludwig van Beethoven war eine Referenz an die ehemalige Veranstalterin zahlreicher Konzerte im Rahmen der Schlosskonzerte in Bad Lobenstein, Frau Leuschner, die am Tag dieses Konzerts Geburtstag hatte. Janka Simowitsch wurde von Frau Leuschner gemeinsam mit Henriette Gärtner entdeckt und erstmals 2009 zum Konzert nach Bad Lobenstein eingeladen. Somit ist Frau Leuschner als Begleiterin Teil von Jankas beruflichen Weg. Die wunderbare Entwicklung der Pianistin verstehe ich als ein ganz besonderes Geburtstagsgeschenk an Frau Leuschner und die beste Art, sich für die gebotenen Chancen zu bedanken.

Die Stadt Bad Lobenstein zeigte mit ihrer Präsenz im Konzert, wie stark sich die Verantwortlichen mit der Kultur verbunden fühlen: Der Bürgermeister Thomas Weigelt sowie die Leiterin der Abteilung für Kultur, Soziales,Tourismus, Frau Anika Schart, gratulierten der Jubilarin Frau Leuschner und dankten ihr für ihr Engagement sowie der Pianistin Janka Simowitsch für den zauberhaften Klavierabend.

Autor: Matthias Meiners

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